am 29.10.2007
Muntere Erbschleicher unter sich
Tante Martha ist verblichen: Wer erbt nun die vermuteten Schätze? Die
Verwandtschaft (Bernd Artmann, Uschie Niehues und Klaus Uhlenhake, v.l.)) weiß
sich wortreich ins Spiel zu bringen. Der Hausmeister (Bernd E. Bäumer, r.) denkt
sich seinen Teil.
(Foto: Michael Hörnschemeyer)
Münster. „Wenn ich mir vorstelle, wer alles Geld für meinen Kranz spendet,
möchte ich gar nicht sterben!“ Launig übermittelte Hannes Demming vor der
Premiere diesen Gruß des fränkischen Autors Fitzgerald Kusz, der in seiner
Heimat Nürnberg festsaß und daher nicht zur Premiere des von Demming ins
Niederdeutsche übertragenen Stückes „De leste Wille“ nach Münster kommen konnte.
Gleich in der ersten Szene merkte der Zuschauer, dass dieser Spruch passte. Vom
Gewitter getrieben, schaffte es die schwarzgewandete Beerdigungsgesellschaft so
gerade noch in das Haus der verblichenen Tante Martha. Das Bühnenbild im Stil
„bürgerlich-bieder“ wies direkt den Weg in die plattdeutsche Tiefebene.
Einschlägig sind die Dialoge und schnell geht es in die durch den Titel
programmierte Richtung: „Die Beerdigungsfirma hat uns ja einen guten Preis
gemacht“, markiert Neffe Heinz (Bernd Artmann) den harten und erfolgreichen
Verhandler. Prompt bietet Marthas Schwester Olga (Elisabeth Georges) den
Kontrapunkt und setzt sich schon mal in die moralische Oberliga ab: „Ich
hingegen habe den Sarg nochmal geöffnet.“ Dann reicht es noch zur Einigung über
eine Schweigeminute. Für lange Zeit wird es die einzige Szene der Eintracht an
diesem Abend bleiben. Alle „Trauergäste“ gruppieren sich mit Betroffenheitsmiene
um den Sterbeort, der durch einen Blutfleck mehr nach Tatort aussieht. Der
cremefarbene Teppich ist sozusagen die Stelle des ultimativen Gedenkens. Mit dem
Schlachtruf „Ich stoppe die Zeit“ begrenzt Neffe Heinz die Teppichrunde, in der
sich die einzelnen Charaktere zur allgemeinen Heiterkeit im Publikum nicht
bremsen können. Olga wippt ungeduldig auf den Zehen, während ihre Tochter Ursel
(Judith Derpmann) demütig mit geneigtem Kopf verharrt, dass es zur Aufnahme in
ein Kloster reichen würde. Der Austausch familiärer Unfreundlichkeiten – „Du
Versicherungsfuzzi!“ oder „De Lehrers verdients Cheld im Schloap!“ – ist nur
Zwischenstation zu den eigentlichen Kampfgebieten des Erbstreits, bei dem es um
einen antiken Tisch über ein Kaffeeservice bis hin zu allerlei vermuteten
Schätzen geht. Die muntere Geschichte mit boshaften Untertönen setzt sich fort
mit nächtlichen Suchaktionen und einseitiger Testamentsexegese, bis die
Erbschleichertruppe begreift, dass die in Öl stets präsente Martha nach wie vor
die Lage im Griff hat. Wer wissen will, wie das alles zugeht, der muss sich auf
den Weg ins Kleine Haus machen. Das muntere Spiel der Niederdeutschen Bühne kam
bei der Premiere prächtig an.
VON CHRISTIAN STEINHAGEN